Dunkle Wolken ziehen über das Meer. Das Kreischen der Möwen heisst uns während der Einfahrt in den kleinen Hafen von Neuendorf auf der Insel Hiddensee willkommen. Die Wolken ziehen schnell. Der Herbstwind weht über die Insel. Während die rund 3000 Gästebetten im Sommer gut gebucht sind, gehört die autofreie Insel jetzt, Ende Oktober, wieder weitgehend den rund 1’000 Einwohnern.
Wer auf Hiddensee von A nach B möchte, der muss entweder auf den kleinen Inselbus zurückgreifen, radeln, reiten, sich mit dem Pferdewagen kutschieren lassen, oder eben auf Schusters Rappen die Insel erwandern.
Wanderung von Neuendorf zum Leuchtturm Dornbusch
Wir entscheiden uns für Letzteres. Einmal von der Mitte der Insel bis ganz in den Norden.
Die knapp 17 km lange Insel Hiddensee liegt im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Dünen, Heidelandschaft und ein leicht hügeliger Norden kennzeichnen die Insel.
Hiddensee im Herbst ist entspannt. Auf der Überfahrt mit der Weissen Flotte von Schaprode auf Rügen sind nur wenige Menschen an Bord. Viele von Ihnen mit grossen Ferngläsern ausgerüstet. Es ist die Zeit, um Zugvögel zu beobachten, Kraniche, Wildgänse und Stare.
Wir sind an diesem Tag die Einzigen, die sich durch den kleinen Ort Neuendorf mit seinen gemütlichen, reetgedeckten Häusern von der Ostküste an die Westküste der schmalen Insel aufmachen.
Hiddensee ist an dieser Stelle nur wenige hundert Meter breit und so erreichen wir bald den schier endlos langen Strand.
Den Wind in den Haaren, das Rauschen des Meeres in den Ohren und ganz viel Inselglück im Herzen, machen wir uns auf den Weg. Begleitet werden wir von fischenden Möwen, watschelnden Enten und gefiederten Strandläufern. Nur hin und wieder begegnen wir anderen Strandgängern.
Bei jeder Welle, die an Land gespült wird, flüchten die Strandläufer ins seichte Wasser, um dann, wenn das Meer wieder weicht, in Richtung Wasser zu staken. Wenn eine Welle zu schnell kommt, flattern sie, wie auf Kommando, aufgeregt in die Luft.
Der feine Sand gibt unter den Füssen nach. Mein Blick schweift auf das offene Meer, während der frische Wind all die Mühen des Alltags ganz einfach mit sich fort nimmt. Ich liebe den Herbst am Meer. Die Natur gehört wieder weitgehend sich selbst, sie spielt mit ihren Kräften.
Das Meer, der Strand, die Heide und die kleinen Birkenwälder sind menschenleer. Sie strahlen eine wohltuende Bescheidenheit aus.
Wir erreichen die Dünenheide. Aufgeschreckte Starenschwärme tanzen über unseren Köpfen und bilden dunkle Wolken, die rasant ihre Formen ändern. Sie tanzen nach rechts und dann nach links und dann ganz schnell vor und wieder zurück. Ich kann ihnen mit der Kamera kaum folgen. Ein eindrückliches Schauspiel.
Hier verlassen wir den Strand und wandern weiter die Strasse entlang durch das Dorf Vitte. Wir werfen einen Blick in einen der Souvenirläden. Eine Mütze kann man jetzt brauchen. Der Wind kühlt den Kopf.
Schliesslich erreichen wir den Ort Kloster. Kloster ist das kulturelle Zentrum von Hiddensee. Hier befinden sich kleine Galerien, in denen Kunsthandwerk angeboten wird, Souvenirgeschäfte und einladende Cafés und Restaurants.
Ein Ort für Künstler und Intellektuelle
Auch hier in Kloster ist Hiddensee alles andere als aufgeregt. Mit seiner Einfachheit und Bodenständigkeit zog Hiddensee schon früher Intellektuelle und Künstler an. Unter Ihnen klingende Namen wie Sigmund Freud, Franz Kafka, Bert Brecht, Erich Kästner und Gottfried Benn – und allen voran Gerhart Hauptmann. Der Dichter Gerhart Hauptmann verbrachte viele Sommer in seiner Wahlheimat auf Hiddensee und hat hier, seinem Wunsch entsprechend, seine letzte Ruhestätte gefunden.
In seinem Sommerhaus „Seedorn“ befindet sich heute ein kleines Museum. Gerhard Hauptmann bezeichnete Hiddensee einst als „das geistigste aller Seebäder“. Ein Gedanke, den man auch heute noch gut nachvollziehen kann. Die Unaufgeregtheit und Natürlichkeit der Insel machen es einfach, den Blick auf das Wesentliche zu lenken – und das Glück zu finden. Dieses zeigt sich im Herbst selbst an wolkenverhangenen Tagen in strahlend warmen Farben.
Dornbusch
Wir lassen Kloster hinter uns und folgen dem Weg auf eine kleine Anhöhe. Unter knorrigen, vom Wind gebeugten Kiefern öffnet sich der Blick über den nördlichen Teil von Hiddensee. Viel Landschaft, das Meer und dazwischen wohltuende Weite.
In unserem Rücken erhebt sich der Dornbusch, eine sanfte Hügellandschaft, deren höchster Punkt auf 72,7 m.ü.M. liegt.
Auf dem Hügel „Schluckswiek“ thront das Wahrzeichen Hiddensees und das Ziel unserer Wanderung. Der Leuchtturm Dornbusch. Er wurde im Jahre 1887/ 1888, ursprünglich als Ziegelbau erbaut und warnt seither unermüdlich Seefahrer vor gefährlichen Untiefen. Sein Licht strahlt bis 45 km weit hinaus auf die Ostsee.
Heute kann der 27,5 Meter hohe Turm gegen ein kleines Eintrittsgeld besichtigt werden. 102 Treppenstufen winden sich im Inneren des Turmes hinauf. Von oben öffnet sich der Blick im Süden über die Insel und im Norden und Osten hinüber zur Insel Rügen.
Sanddorn, die Zitrone des Nordens
Dornbüsche mit kleinen, leuchtend orangen Beeren, säumen den Weg zurück nach Kloster. Hier wächst Sanddorn, die süsslich-herbe „Zitrone des Nordens“. In den Cafés und Restaurants auf Hiddensee wird diese besondere Frucht mit ihrem hohen Vitamin C Gehalt in verschiedensten Varianten angeboten. Sanddorn-Schorle, Sanddorn-Tee oder als köstliche Sanddorntorte.
Genau die teilen wir uns als Abschluss nach einem köstlichen Mittagessen am Hafen von Kloster. Zum Hauptgang kommt natürlich Fisch auf den Teller – was sonst. Lecker!
Als wolle uns die Insel den Abschied besonders schwer machen, reisst der Himmel nach einem wolkenreichen Tag nun plötzlich auf und verzaubert die Insel mit dem warmen Licht der Abendsonne.
Der Himmel zeichnet mit seinem leuchtenden Blau den perfekten Hintergrund für die warmen Herbstfarben.
Auf der Überfahrt vom Hafen Kloster zurück nach Schaprode, gibt die Sonne dann wirklich alles, was es für ein fast schon kitschiges Sonnenuntergangfoto braucht. Sie lässt Hiddensee in umwerfender Schönheit und unglaublichen Farben erstrahlen. Wir haben unser Herz verloren! Hiddensee im Herbst ist ein Traum!
Es ist die stille Bescheidenheit mancher Orte, die ihren Reiz ausmacht. Hier ist nichts aufgesetzt. Auf ganz unspektakuläre und doch umwerfend schöne Weise findet der Besucher im Herbst hier ein kleines, ganz grosses Inselglück.
Mit sonnigen Grüssen,
Weitere Infos zur Insel Hiddensee
Die Insel Hiddensee liegt westlich der Insel Rügen.
Rügen ist von der Schweiz aus im Herbst/Winter über die Flughäfen Berlin oder Hamburg zu erreichen. Im Sommer gibt es ab Zürich auch Direktflüge nach Rostock.
Wer als Tagesgast kommt und die Insel erwandern möchte, dem empfehle ich möglichst viel Zeit auf der Insel einzuplanen, also früh anzureisen und mit der letzten Möglichkeit wieder abzureisen. Es lohnt sich! Wir persönlich haben es leider an einem Tag nicht geschafft uns alles anzuschauen, was wir gerne gesehen hätten.
Ab Schaprode verkehren mehrmals täglich Schiffe nach Hiddensee. Weiter Informationen dazu finden sich hier:
Hiddensee lohnt sich für einen Tagesausflug ab Rügen. Tagesgäste müssen eine Tageskurkarte kaufen. Diese gibt es am Schalter der Schifffahrtsgesellschaft.
Noch schöner ist es natürlich, wenn man länger bleiben kann. Wer länger bleiben möchte, der findet hier die notwendigen Informationen über Unterkünfte:
Gut und regional gegessen haben wir am Hafen von Kloster in Schillings Hafenamt. Im Restaurant befindet sich auch ein kleiner Verkaufsraum, in dem lokale Spezialitäten, Fischkonserven der Hiddensee Kutterfischerei, diverse Sanddornprodukte, Fleischkonserven von der kleinen Nachbarinsel Öhe, etc. angeboten werden. Ideale Mitbringsel für die Daheimgebliebenen.
Am schönsten ist die Wanderung am Strand entlang bis nach Vitte. Wem das Gehen im Sand zu anstrengend wird, der kann ohne weiteres auf einen der parallel zum Strand verlaufenden Wege durch die Heidelandschaft ausweichen. Die ganze Wanderung von Neuendorf zum Leuchtturm und zurück nach Kloster dauert etwa 3 Stunden. Mit Fotostopps und Blick in einen der zahlreichen Souvenirläden können es gut und gerne auch 3 1/2 Stunden und mehr werden.
Im Herbst unbedingt eine Mütze mitnehmen – der Wind kühlt.
Hallo! Ich bin Ellen. Ich bin die Gründerin von PATOTRA, Content-Creator und freie Journalistin. Ich liebe das Meer und kleine Inseln. Aber auch die Berge, die Wüste, der Dschungel und Grossstädte können mich begeistern. Begegnungen mit Menschen sind für mich der Schlüssel zu anderen Ländern und deren Kultur. Nachhaltige Projekte liegen mir dabei ganz besonders am Herzen. Meine grossen Leidenschaften sind: das Reisen, das Schreiben und das Fotografieren.
Im Jahr 2014 entstand PATOTRA als reiner Familienreiseblog. Gemeinsam mit meinen drei Kindern und meinem Mann durfte ich viele tolle Nah- und Fernreisen erleben, die sich hier auf dem Blog in Form von Reiseinspirationen und Reisetipps wiederfinden. Aus den Reisen mit Kindern wurden im Laufe der Jahre Reisen mit Teenagern. Schliesslich ist der Blog, gemeinsam mit meinen Kindern, den Kinderschuhen entwachsen. Mittlerweile reise ich meist gemeinsam mit meinem Mann – oder auch mal alleine.
Mit viel Herz und ansprechenden Reisefotografien möchte ich Euch ermutigen, diese Welt selbst und mit offenen Augen zu entdecken. Mein Fokus liegt auf spannenden Geschichten, traumhaften Landschaften und Begegnungen mit Menschen. Manchmal bringe ich Euch den Geschmack der grossen, weiten Welt auch in Form von Rezepten von meinen Reisen mit.
Offenlegung: Diese Recherchereise wurde von der Deutschen Zentrale für Tourismus und Rügen Tourismus unterstützt. Meine Meinung bleibt davon unagetastet.
2 Antworten
Ein toller Bericht! Macht direkt Lust, hinzufahren und die Ruhe zu genießen!
Danke Dir, liebe Dina. Das freut mich sehr! Hiddensee hat es mir so leicht gemacht darüber zu schreiben. Diese Insel ist so inspirierend.
Liebe Grüsse,
Ellen