Ich stehe mitten in einer Gruppe scherzender und lachender Frauen. Eine der Damen drückt mir eine Scheibe Weissbrot in die Hand und deutet mir, ich solle es ihnen gleich tun. Also zupfe ich auch kleine Stückchen Brot ab, um sie in die Luft zu werfen.
Die Möwen, die dem Boot folgen, schnappen gierig danach und ich freue mich. Ich bin plötzlich Teil dieser Gruppe Istanbuler Frauen und nicht mehr nur die Frau aus der Schweiz, die über Istanbul schreiben möchte.
Schon nach dem Frühstück hatte ich mich von Istanbul verabschiedet. Im Hafen von Kabataş hatte ich gemeinsam mit den Städtern darauf gewartet, dass wir in das grosse Schiff einsteigen dürfen. Als die Seile vor dem Steg geöffnet wurden, rannte die Menschenmenge auch schon los. Ein spassiger Anblick. Jeder wollte ein möglichst gutes Plätzchen an Bord ergattern. Auch ich freute mich über meinen Sitzplatz draussen an Deck. Es war zwar noch recht frisch und es wehte ein kühler Wind. Immerhin war es noch nicht mal Mitte April. Aber den freien Blick übers Wasser und die Stadt wollte ich mir nicht entgehen lassen.
Die Sonne glitzerte auf dem Wasser als die Stadt am Horizont immer kleiner wurde und ich etwas wehmütig Abschied nahm. Istanbul war mir in den letzten drei Tagen doch sehr ans Herz gewachsen.
Bevor es wieder nach Hause ging, wollte ich aber noch wissen, wo sich die Einwohner Istanbuls von ihrer aufregenden, lebhaften Stadt erholen.
Heybeliada
Mein erstes Ziel an diesem Morgen war die Prinzeninsel Heybeliada.
Heybeliada ist eine der insgesamt neun Prinzeninseln, die Istanbul vorgelagert sind. Vier der im Marmarameer gelegenen Inseln sind bewohnt. Ihren Namen verdanken die Prinzeninseln, der Tatsache, dass früher „überzählige“ Thronfolger auf die Inseln verbannt wurden, um Thronstreitigkeiten vorzubeugen.
Nach knapp zwei Stunden war Heybeliada auch schon erreicht. Mit ein paar wenigen andern Passagieren verliess ich im Hafen das Schiff, während die meisten anderen Passagiere gleich weiter zur grossen Insel Büaküyada fuhren.
Was mir auf Heybeliada als Erstes auffiel, war diese unglaubliche Ruhe. Denn die Prinzeninseln sind allesamt, abgesehen von Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen, autofrei. Hier wird der Städter „entschleunigt“ und man bewegt sich entweder mit einer der Pferdekutschen, die schon am Hafen warten, oder mit einem geliehenen Fahrrad fort. Während Radfahren in Istanbul wegen des extremen Verkehrs undenkbar ist, geniessen die Tagesausflügler offensichtlich dieses ungewohnte Fortbewegungsmittel.
Ich entschied mich für die Pferdekutsche. In fast schon rasantem Tempo startete meine Fahrt zum griechisch-orthodoxen Kloster auf dem Hügel Ümit Tepe. Hier befand bis in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts das Seminar von Halki, die wichtigste theologische Hochschule des Patriarchats von Konstantinopel. Zufällig stolperte ich mitten in die orthodoxen Osterfeierlichkeiten hinein. Die Kirche war gefüllt mit feiernden, meist griechischen Gläubigen. Es duftete nach gegrilltem Fleisch und im Garten standen festlich gedeckte Tafeln.
Nach einem kurzen Blick ins Kloster genoss ich den Blick über die grüne Insel und das beruhigende Königsblau des Marmarameeres.
Ein kleiner Spaziergang durch ein Nadelwäldchen brachte mich wieder hinunter durch verträumte Gassen zurück zum Hafen.
Mein nächstes Ziel war nun die grösste Prinzensinsel: Büyükada. Da grade kein Kursschiff rüber fuhr, bot mir ganz unverhofft eine Damengruppe an, mich mit ihrem gecharterten Boot mit zu Insel hinüber zu nehmen. Und da stehe ich nun inmitten scherzender Damen und füttere mit Ihnen die Möwen. Wirklich verständigen können wir uns zwar nicht, aber in manchen Situationen braucht es keine Sprache. Wir verstehen uns auch so. Genau diese Situationen bereiten mir auf Reisen die wirklich grossen Glücksgefühle. Ich bin plötzlich ein Teil einer mir vorher fremden Kultur. Irgendwie gehöre ich für einen kurzen Moment dazu – und das ist schön.
Büyükada
Viel zu schnell ist der Hafen von Büyükada erreicht. Hier herrscht wesentlich mehr Trubel, als auf Heybeliada. Die Promenade am Meer ist gesäumt mit Restaurants, deren Besitzer um die wirklich zahlreich vorhandene Kundschaft buhlen.
Ich möchte nicht wissen, wie das hier im Sommer aussieht. Doch kaum lasse ich die ersten beiden Parallelstrassen zur Hafenpromenade hinter mir, kehrt auch hier eine verträumte Ruhe ein. Prächtige und manchmal etwas verschlafen wirkende Holzhäuser säumen die Strassen. Manch reicher Bürger Istanbuls hat sich hier sein luxuriöses Wochenendhäuschen eingerichtet.
Immer wieder jagt – ja die jagen wirklich – eine Pferdekutsche an mir vorbei. Dazwischen ein paar Städter, von denen manche deutlich sichtbar mit Ihrem Drahtesel kämpfen und in Schlangenlinien an mir vorbeifahren. Die Stimmung ist ansteckend, ausgelassen und fröhlich. Mit Blick auf die Millionenmetropole geniesst man den Ausflug in die frische Luft. Und auch ich tue es den Stadtflüchtern gleich und lasse meine Seele baumeln.
Ich fühle mich nicht mehr fremd. Ich bin ein bisschen Teil von ihnen geworden. Auch wenn der Abschied naht, so wird doch ein Stückchen meines Herzens hier bleiben, in der zauberhaften Stadt Istanbul, auf den charmant verträumten Prinzeninseln und bei den scherzenden Frauen, mit denen ich die Möwen gefüttert habe.
Auf Wiedersehen Prinzeninseln, Güle güle Istanbul!
Die nächste Reise wartet schon auf mich. Ich freue mich, wenn ihr mich wieder begleitet.
Mit sonnigen Grüssen
Extratipps:
Wer im Sommer mit Familie in Istanbul unterwegs ist, dem würde ich empfehlen ein paar Tage Urlaub auf einer der Inseln anzuschliessen. So kann man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Citytrip und Erholungsurlaub am Strand.
Essen auf Büyükada:
Antepli Kebap House; in einer der Parallelstrassen zum Hafen. Einfaches, aber sehr gutes Essen. Wenn man unten reinkommt unbedingt die Treppe nach oben gehen. Dort befindet sich völlig unvermutet eine Dachterrasse mit einem bezaubernden Blick über das Marmarameer.
Die Getreidesuppe und der Spicy Kebap sind sehr lecker.
Mehr zu den Prinzeninseln findet Ihr auch bei Tanja von Reiseaufnahmen
Ganz herzlichen Dank an Türkei Tourismus für die freundliche Einladung, die mir diese tollen Erlebnisse ermöglicht hat!
5 Antworten
Hallo, auf Recherche nach Bildern der Prinzeninseln bin ich auf deine Seite gestoßen – das Foto mit den Möwen vom Schiff aus Richtung Istanbuler Skyline ist große Klasse! Viele Grüße, Daniela
Danke, Dir für das Kompliment, liebe Daniela! Das freut mich.
Lieber Gruss,
Ellen
Hi ‚ danke für diesen faszinierenden Beitrag. Man möchte gleich hinreisen ! 🙂
Ich war schon mal in Büyükada(Büyaküada ist übrigens falsch geschrieben) und empfehle es natürlich jedem weiter.
Freu mich auf deinen nächsten Beitrag über die Türkei.
Liebe Stephanie
Hach, das freut mich sehr, dass Dir mein Artikel gefällt. Vielen Dank auch für den Hinweis!
Die anderen Artikel zu Istanbul sind bereits veröffentlicht, da meine Reise schon eine Weile zurückliegt ;-). Schau mal hier: https://www.patotra.com/laender/tuerkei/
Ganz liebe Grüsse,
Ellen