Reisebericht Kambodscha – viel mehr als nur imposante Tempelanlagen

Kambodscha ist berühmt, für die Tempelanlage des Angkor Wat. Das asiatische Land hat aber noch viel mehr zu bieten als alte Mauern. Ein Reisebericht
Inhalt

Nach der Schreckensherrschaft der Roten Khmer, die in den Jahren 1975 bis 1979 einen grausamen Massenmord am eigenen Volk begingen, verfiel Kambodscha einige Jahrzehnte lang in einen touristischen Dornröschenschlaf. 

Mittlerweile wurden die allermeisten der grauenvollen Minenfelder geräumt und man blickt nach vorne. Das kleine südostasiatische Land gilt heute als Geheimtipp in Südostasien. Auch wenn Kambodscha zu einem der ärmsten Staaten in Südostasien zählt, hat es ein reiches, kulturelles Erbe, landschaftliche Vielfalt und freundliche Menschen vorzuweisen.

Die Tempelanlagen von Angkor

Ta Prohm Tempel
Die Natur hat die Tempelanlage fest im Griff

Wie die Arme eines Kraken halten die dicken Wurzeln der Würgefeige das bröckelnde Gemäuer des Ta Prohm Tempels zusammen. Die Natur und das, was hier mit einem unvorstellbaren Aufwand im späten 12. Jahrhundert von Menschenhand erschaffen wurde, verschmelzen zu einer Einheit und üben eine besondere Faszination auf den Betrachter aus. Als wären die alten Maueren nicht ohnehin schon faszinierend genug. Am frühen Morgen ist hier meist noch wenig los. Eine mystische Ruhe liegt über der Tempelanlage, die nur durch das Kreischen von ein paar Affen im umgebenden Urwald kurz durchbrochen wird.

Tempel ohne Touristen in Angkor
Manche der Tempel sind fast menschenleer

Hunderte Heiligtümer und Tempelanlagen wurden bis heute in der Region Angkor, nahe der Stadt Siem Reap entdeckt.

Die Gesichter des Bayon Tempel
Der Bayon Tempel

Die berühmteste Tempelanlage ist zweifelsohne der Angkor Wat aus dem 12. Jahrhundert.

Angkor Wat im Abendlicht
Angkor Wat

Er ist das grösste sakrale Gebäude der Welt. Etwa 1 Million Menschen lebten damals in und um den Angkor Wat und bildeten eine der grössten Metropolen der damaligen Welt. Dagegen fallen die vielen Touristen die täglich in zahlreichen Busse hierhergebracht werden, kaum ins Gewicht. Nichtsdestotrotz ist der Angkor Wat der am meisten besuchten Tempel der Region und je nach Tageszeit kann es schon mal schwierig werden, ein Foto ohne chinesische Selfie-Touristen zu machen.

Tempel mit Touristen
Nicht immer gelingt es ein Foto ohne posende Chinesen zu machen

Gut, dass unser Tourguide Siluch, wie vermutlich die meisten Guides, auch die weniger bekannten Tempel kennt, die nicht weniger beeindruckend sind und die man, je nach Tageszeit, manchmal fast für sich alleine hat. 

Eines ist aber allen Tempeln gemeinsam: In Stein gehauene Reliefs erzählen vom Leben und vom buddhistischen und hinduistischen Glauben der damaligen Bevölkerung. Das macht die Tempelbesuche zu einer ganz besonderen Zeitreise. „Sogar einen Dinosaurier könne man hier finden“, berichtet uns Siluch . Wie der Stegosaurier auf ein Relief aus dem 12. Jahrhundert kam, gibt bis heute Anlass zu wilden Spekulationen. Vermutlich stellt das Relief aber nur ganz banal ein Nashorn dar.

Stegosaurus oder Nashorn-Relief
Ist das nun ein Stegosaurus, oder doch nur ein Nashorn?

Drei Tage bleiben die meisten Touristen in der Region rund um Siem Reap. Dann, hat jeder in aller Regel seinen persönlichen Lieblingstempel gefunden und bevor sich der berüchtigte Tempelkoller einstellt, ist ein Ortswechsel angesagt. Auch wir spüren, wie sich nach dem dritten Tag der Tempelkoller breit macht und ziehen nach 4-5 Tempelbesuchen an jedem der vorangegangenen Tage bei Siluch die Bremse. Genug Tempel gesehen!

Natur und Tempel verschmelzen in Angkor
Natur und Bauwerke verschmelzen

Das Umland von Siem Reap und der Tonle Sap See

Gut, dass Kambodscha noch weitaus mehr zu bieten hat, als Tempelanlagen.

Riesige, ausgedehnte Reisfelder und hin und wieder ein paar grasende Wasserbüffel zeichnen das Landschaftsbild der Region um Siem Reap. Der Reis wird bis heute meist in Handarbeit angebaut und geerntet, bevor er zum Trocknen vor den Häusern ausgelegt wird. Das Leben auf dem Land ist einfach und beschwerlich.

Reisfelder und Büffel
Reisfelder und Büffel prägen das Landschaftsbild

Am Tonle Sap See, dem flächenmässig grössten See Südostasiens, sind es die Fische, die vor den Stelzenhäusern zum trockenen ausgelegt werden. In der Trockenzeit erreicht man das Dorf Kampong Khleang mit dem Auto über eine buckelige Betonpiste. Das Dorf ist schon von Weitem zu sehen.

Stelzenhäuser am Tonle Sap
Die Stelzenhäuser am Tonle Sap. Im Vordergrund in der Sonne ausgelegter Fisch

Die Pfähle, auf denen sich die Wohnhäuser befinden ragen etwa 10 Meter aus der Erde und das hat einen guten Grund. In der Regenzeit ist das Dorf nämlich nur noch mit dem Boot zu erreichen. Dann stehen die Strassen vollständig unter Wasser und die Häuser befinden sich nur noch etwa einen Meter über dem Pegel des Sees. Während der Trockenzeit aber schillern die aufgereihten Fische silbern in der Sonne bevor sie nach dem trocknen auch noch geräuchert werden. Nur der Duft ist für mitteleuropäische Nasen äusserst gewöhnungsbedürftig.

Stelzenhäuser Tonle Sap
Am Tonle Sap

Die Menschen hier sind arm. Sie leben teilweise buchstäblich im eigenen Müll und im Dreck. Ein Anblick, der nicht leicht zu ertragen ist. Eine Müllentsorgung wie wir sie kennen gibt es hier nicht. Die Armut und der Müll machen uns und Kambodscha zu schaffen.

Ein paar Bootsführer warten mit ihren Booten am Steg auf zahlende Touristen und winken uns freundlich lächelnd zu sich heran. Man ist froh über jeden Zuverdienst.

Mit dem Boot auf dem Tonle Sap
Per Boot geht es auf den See

Für ein paar Dollar bringt uns ein junger Bootsführer mit laut knatterndem Motor raus auf den See zum Dorf auf dem Wasser. Fast mitten auf dem See befindet sich ein richtiges Dorf, mit einer schwimmenden Schule und einem kleinen schwimmenden „Supermarkt“. Rund um das Dorf werfen zahlreiche Fischer ihre Netze aus.

Schwimmendes Dorf
Das schwimmende Dorf auf dem Tonle Sap

Das Spinnendorf Skuon

Eine Schnellfähre verbindet den Nordosten des Sees mit der Hauptstadt Phnom Penh.

Vor den einfachen Häusern wird Reis zum Trocknen ausgelegt
Reis wird vor den Häusern zum Trockenen ausgelegt

Wer allerdings mit dem Boot reist, der sieht nicht die zahlreichen Dörfer entlang der Strasse Richtung Süden und verpasst auch den berühmten Spinnenmarkt von Skuon. Skuon wird auch Spiderville genannt. Was uns hierzulande im besten Falle einen Schauer über den Rücken jagt, gilt in Kambodscha als Delikatesse: Frittierte Vogelspinnen.

Die wenigen Touristen sehen es als eine Art Mutprobe, während den Kambodschanern auf dem Markt das Wasser im Mund zusammenläuft. Ganz so schlimm, wie sie aussehen ist der Geschmack wohl nicht. „Aussen knusprig, innen cremig und es schmeckt nach ganz viel Knoblauch“, so der O-Ton meiner Tochter. Man verpasst, für unsere Gaumen, geschmacklich also nicht wirklich viel. Da wir kurz vor dem Marktbesuch zu Mittag gegessen hatten, verzichte ich, im Gegensatz zu meiner Tochter, dankend auf das kulinarische Abenteuer.

Vogelspinne essen
Was für uns Überwindung kostet…
Delikatesse Vogelspinne
…ist für die Kambodschaner ein Genuss

Die Klebreis-, Puffreis- und Steinmetzdörfer

Puffreis wurd hier hergestellt
Hier wird Puffreis hergestellt

Auf dem Weg von Siem Real nach Phnom Penh fahren wir durch Klebreis-, Puffreis- und Steinmetzdörfer. Ein interessantes kambodschanisches Phänomen ist, dass häufig dorfweise etwas produziert und vor Ort zum Kauf angeboten wird. Die Bewohner des einen Dorfes kochen Klebreis in Bambusrohren über dem Feuer.

Hier wird Klebreis gegart
In den Bambusröhren gart der Klebreis über dem Feuer

Das nächsten Dorf produziert die Dorfbevölkerung Puffreis und wieder im Dorf danach sind lauter Steinmetzwerkstätten zu finden, in denen Buddha-Statuen aus Sandstein hergestellt werden.

Ein Steinmetz stellt Buddha Statuen her
Ein Dorf voller Steinmetze
Wunderschöne Staue aus Stein
Die Statuen, die hier hergestellt werden, sind wunderschön

Eine kambodschanische Eigentümlichkeit, die überrascht. Zumal man sich in den Dörfern nicht zusammenschliesst bzw. Kooperativen gründet, um diese Dinge zu vermarkten. Jeder produziert und verkauft auf eigene Rechnung.

Steinmetz Kambodscha
Mit viel Liebe zum Detail werden die Stauen hergestellt

Lebhaftes Phnom Penh

Phnom Penh
Phnom Penh ist eine lebhafte Stadt

Dei Hauptstadt Phnom Penh ist eine typisch asiatische Stadt. Neben Autos und Lastwagen fahren unzählige Motorroller, Tuk-Tuks und Motorrad-Rikschas durch die oft überfüllten Strassen der lebhaften Stadt.

Strasse in Phnom Penh
Ein Nickerchen auf dem Anhänger

Eine Motorrad-Rikscha ist das einfachste Fortbewegungsmittel, um als Tourist die Stadt zu erkunden. Für 20 Dollar lassen wir uns zum Sightseeing durch die Stadt chauffieren. Vorbei am Königspalast geht die fahrt zum Zentralmarkt. Im Inneren des Art Déco Baus finden sich von Plagiaten namhafter Modelabels bis zu landwirtschaftlichen Produkten alles, was das Herz begehrt, oder worauf man getrost verzichten kann.

Hochhäuser und Tempel in Phnom Penh
Hochhäuser und Tempel

Unser Fahrer wartet während unserer Besichtigungen an der Strasse und empfängt uns immer wieder mit einem freundlichen Lächeln. Nachdem wir auch den Russischen Markt besichtigt haben, steuert er zuletzt noch den Wat Phnom an, den bekanntesten Tempel vom Phnom Penh. 

Auf dem Russischen Markt
Auf dem Russischen Markt von Phnom Penh

Wahnsinnig viele Sehenswürdigkeiten hat Phnom Penh nicht zu bieten. Wir verbringen zwei Tage in der Stadt und uns reicht diese Zeit vollkommen.

Das Foltergefängnis und die Killing Fields

Den zweiten Tag verbringen wir damit, die Orte zu besuchen, an denen die Schreckensherrschaft der Roten Khmer ganz grauenvoll zu Tage tritt.

Mitten in der Stadt befindet sich das ehemalige Gefängnis Tuol Sleng, auch bekannt als S-21, das ursprünglich einmal eine Schule war. Hier ist heute das Tuol-Sleng-Genozid-Museum untergebracht.

Im Gefängnis Tuol Sleng
Zellen des Foltergefängnis S-21
Im Foltergefägnis in Phnom Penh
Mit Stacheldraht hat man die Insassen daran gehindert, dass sie sich von den Balkonen in den Tod stürzen

Während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer wurden in den ehemaligen Klassenzimmern mehr als 17’000 Menschen sinnlos eingesperrt und gefoltert. Diesen Menschen wird hier auf grossen Fotowänden ein Gesicht gegeben. Im Garten sitzen drei der nur sieben Überlebenden des Gefängnisses und verkaufen ihre Autobiographien an Besucher. Ich bin mir nicht sicher, ob dies ein Ort ist, den man besuchen muss. Das hat für mich etwas den Beigeschmack von Katastrophentourismus. Sicherlich sind solche Orte wichtig, um die Geschichte aufzuarbeiten und um die Erinnerung wach zu halten. Ich habe allerdings während meines Besuches, abgesehen von den Verkäufern und dem Museumspersonal, leider keine Kambodschaner im Museum gesehen. Der Besuch lässt mich schockiert, aber auch ratlos zurück.

Ebenso der Besuch auf den Killing Fields, Choeung Ek, etwa 15 km ausserhalb der Stadt. Kurz hinter dem Eingang ist ein riesiger Glasschrein aufgebaut, mit unzähligen menschlichen Gebeinen und Schädeln der hier dahingemetzelten und in Massengräbern verscharrten Opfer.

Ein Haus voller menschlicher Knochen
In dem Gebäude befinden sich ein Glashaus mit den menschlichen Knochen der Opfer

Wir fotografieren nur von Weitem. Mir fehlt dafür das Verständnis für diejenigen, die die menschlichen Überreste von Nahem fotografieren. Dann geht es den Weg entlang zu den Massengräbern und zu dem Baum, an dem Kleinkinder und Babies umgebracht wurden, indem man sie mit dem Kopf gegen den Baumstamm geknallt hat. Die Vorstellung ist grauenvoll und mir drehen sich Herz und Magen um.

Etwas weiter auf dem Weg, hat der Regen Knochen und Bekleidungsreste freigelegt. Das geschieht hier ständig, wie uns unser Guide erklärt. Die freigelegten die Knochen werden von den Füssen achtloser Touristen im Boden festgetreten. Ich will hier nur noch weg. Auch an diesem Ort sehe ich keine Kambodschaner – nur zahllose Touristen.

Geschichte hautnah zu sehen kann eine Gratwanderung sein. Wenn Gedenkstätten zur reinen Touristenattraktion verkommen, finde ich das schwierig. Aber vielleicht täusche ich mich auch bei meiner Momentaufnahme.

Unser letzter Tag in Kambodscha führt uns von Phnom Penh zum Grenzübergang nach Thailand in Koh Kong. Die Fahrt geht vorbei an riesigen fensterlosen Textilfabriken, in deren Umfeld unvorstellbare Mengen Einweggeschirr die Strassenränder, Wiesen und Felder bedeckt. Da drin sitzen die Näherinnen, die meist für einen Hungerlohn dafür sorgen, dass wir in unserer Überflussgesellschaft möglichst billige Bekleidung kaufen können. Kambodscha macht nachdenklich.

Unsere Autofahrt ist abenteuerlich. Es wird an den unmöglichsten Stellen überholt und auch unser Fahrer ist immer wieder versucht in Rambo Manier zu überholen. Wir machen ihm klar, dass wir es nicht eilig haben. Die Strassen sind voller Schlaglöcher und wir fahren an einigen  mehr oder weniger schlimmen Unfällen vorbei. Auch hier braucht man starke Nerven.

Auf dem Weg in den Südwesten des Landes zur Grenze nach Thailand wird die Landschaft bergig. Unser offenbar heillos untermotorisierter Kleinbus schafft es kaum die Hügel hinauf und wir befürchten schon, dass wir gleich anschieben müssen. Das Auto pfeift aus dem letzten Loch. Aber irgendwie schafft es den nächsten Hügel dann doch immer wieder grade so. Hier ist noch ein Stück des Dschungels vorhanden, den man im Rest des Landes an dem meisten Stellen grösstenteils abgeholzt hat.

Der Grenzübergang nach Thailand funktioniert problemlos. Nach der Ausreiseerklärung am kambodschanischen Zollamt, gehen wir mit Sack und Pack ein paar Meter zu Fuss zur thailändischen Einreisebehörde auf der anderen Seite des Schlagbaums. Auch hier sind wir, dank vorbereiteter Einreisepapiere schnell durch. Der Übergang ist aber krass. Die Strassen und Strassenränder sind plötzlich vergleichsweise sauber und gut unterhalten. In Grenznähe werden wir von Polizeikontrollen gestoppt. Man wünscht uns mit dem gewohnten Thai Lächeln und ein paar Brocken Englisch eine gute Reise und eine schöne Zeit in Thailand. Wir atmen irgendwie ein wenig auf.

Lohnt sich eine Reise nach Kambodscha?

Kambodscha ist geschichtlich spannend und vielfältig und es gibt viel zu sehen. Wir haben auf unserer einwöchigen Reise nur einen kleinen Teil des Landes gesehen. Dessen sind wir uns bewusst. Die Kambodschaner selbst habe ich als zurückhaltende und freundliche Menschen erlebt. Leider ist aber der Funke der Begeisterung für das Land bei uns nicht übergesprungen. Warum das so ist, kann ich selbst nicht so genau fassen. Ich kenne aber einige Menschen, die ganz begeistert von Kambodscha sind. Vielleicht braucht dieses Land auch einen zweiten Blick. Ich habe das schon mehrfach erlebt, dass ich Länder oder Städte von denen ich anfangs nicht so ganz begeistert war, ein zweites Mal besucht habe und sie dann ganz anders erlebt habe. Eines ist aber sicher: die Not in Kambodscha ist gross. Viele Menschen leben in bitterer Armut und haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Vielleicht kann der Tourismus hier einen Beitrag leisten, diese Not ein wenig zu lindern.

Unsere Reise durch Kambodscha war definitiv eine interessante und abwechslungsreiche Reise. Sie hat uns sehr nachdenklich gestimmt und an vielen Stellen unser Herz berührt.

In diesem Sinne grüsse ich Euch, wie immer, mit sonnigen Grüssen,

Eure Patotra
Strassenszene auf dem Land in Kambodscha
Eindrücke von Kambodscha

Offenlegung: Wir haben unsere Reise mit Tourasia gebucht und dafür einen kleinen Preisnachlass erhalten.


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