Ein Land zwischen Tradition und Moderne
Der Schwarzwald ist traditionell und modern, das ruft schon längst der Kuckuck aus der Kuckucksuhr.
Davon konnte ich mich kürzlich überzeugen. Ich liebe den Schwarzwald und freue mich jedes Mal wieder, dass er von der Schweiz aus so schnell erreicht ist.
Meist bin ich zum Wandern hier. Doch dieses Mal wollte ich mich auf die Spuren der Kuckucksuhr begeben. Kuckucksuhren haben etwas. Als kleines Mädchen war ich mit meinen Eltern häufig im benachbarten, süddeutschen Raum zum Wandern unterwegs. In einem unserer Lieblings-Einkehrlokale hing eine für mich damals riesige, geschnitzte Kuckucksuhr. Mit Hasen und Jagdmotiven. Kurz vor jeder vollen Stunde habe ich mich voller Erwartung vor die Holzuhr gestellt und darauf gewartet, dass sich der Kuckuck, nachdem er sich eine volle Stunde lang versteckt hatte, wieder zeigte. Meine Freude über sein von lautem „kuckuck“ begleiteten Erscheinen war jedes Mal riesig.
Kommt mit auf meine Reise durch das Land der Kuckucksuhr !
Uhrenmuseum Furtwangen
Im beeindruckenden Uhrenmuseum in Furtwangen erzählen die zahlreichen Exponate die Geschichte von den Anfängen der Uhrmanufaktur, bis hin zur industriellen Produktion.
Die Uhrenherstellung im Schwarzwald hat eine Jahrhunderte lange Tradition. Ursprünglich waren die bemalten, in Hof-Manufakturen hergestellten Schilderuhren der Exportschlager des Schwarzwaldes. Auch damals schon wurde das Design teilweise der jeweiligen Mode angepasst.
Bis ins Osmanische Reich, nach Frankreich und England fanden die Schwarzwälder Uhren auf dem Rücken der Uhrenträger ihren Weg in die Welt und in unzählige Stuben. Von einem Uhrenträger beim 1. Triberger Schinkenfest konnte ich erfahren, dass so ein Traggestell etwa 35 Kilo wiegt, denn auch die Kettenzüge und Gewichte musste so ein Uhrenträger ja mitnehmen.
So zogen die Händler also aus, um die Uhren, die sie in Kommission von den Uhrmachern übernommen hatten, an den Mann zu bringen. Doch nicht selten verspielte der eine oder andere unterwegs das Geld, das er durch den Verkauf der Uhren eingenommen hatte, sodass der Uhrmacher nach der Rückkehr des Händlers leer ausging. Schwierige Zeiten.
Das erste weltgrösste Kuckuckshaus
Um 1850 zog der Kuckuck in die Uhr, die mittlerweile als Häuschen gebaut wurde, ein. Seitdem hat er dort seinen angestammten Platz. Meist stündlich ertönt sein Ruf, während er einen kurzen Blick aus dem Häuschen auf die sich wandelnde Welt um ihn herum, wagt.
Manchmal ist sein Häuschen auch ein richtiges Haus. Wie in Schonach. 20 Jahre lang war diese Kuckucksuhr die grösste der Welt. Drei Jahre lang hat der Uhrmacher Josef Dold daran gearbeitet. Das riesige Holzuhrwerk im Innern des Häuschens gibt dem Kuckuck zu jeder halben und jeder vollen Stunde den Befehl, die Zeit zu rufen.
Zu meiner Erleichterung ist die Lautstärke seines Rufes nicht ganz so durchdringend, wie aufgrund seiner Grösse zu vermuten wäre. Ach ja, wer erkennt den Fehler auf dem Foto?
Uhrenmanufaktur Rombach und Haas
Erfinderisch und tüftlig waren sie schon immer, die Schwarzwälder und auch traditionsbewusst. Daran hat sich bis heute nichts geändert. In der Uhrenmanufaktur Rombach und Haas in Schonach erzählen die Kuckucksuhren von Conni und Ingolf Haas genau diese Geschichte. Conny Haas ist eine der wenigen, die noch die Kunst der Uhrenschildermalerei beherrschen. So sitzt sie denn auch konzertiert daran, eine Schilderuhr nach alten Vorlagen zu malen, während an den Wänden witzige und moderne Modelle mir ganz deutlich vor Augen führen, dass so eine bei mir zu Hause im Wohnzimmer noch fehlt.
Leider konnte ich mich wegen der grossen Auswahl noch auf keine festlegen. Ich erfahre, dass Udo Waltz eine hat und auch Jogi Löw, Angela Merkel hat eine sogar an Vladimir Putin verschenkt – und ich will auch eine!
Einfach war der Weg nicht, die Kuckucksuhr in die Moderne zu führen, berichtet Ingolf Haas. Am Anfang seien sie auf Messen regelrecht beschimpft worden, weil sie es gewagt hatten, dem Kuckuck ein modernes Haus zu bauen. Offensichtlich ist die Kuckucksuhr ein sehr emotional belegtes Objekt. Auch wenn Conny und Ingolf Haas anfänglich mehr als belächelt und als Spinner bezeichnet wurden, gibt ihnen der Erfolg heute recht. Der moderne Kuckuck hat als Lifestyle Objekt längst seinen Einzug in die moderne Designerwohnung gefunden. In Silber, gelb, blau, grün und ganz besonders gefragt in pink, wie ich erfahre. Heute ruft kein Kuckuck mehr danach, wie Conny und Ingolf Haas es wagen konnten, der alten Tradition ein solch gewagtes Gewand zu verpassen.
Aktuell erregt wohl eher die Tochter des Hauses die Gemüter. Mit ihrer äusserst gelungenen und frechen Werbekampagne für den Schwarzwald machte sie im letzten Sommer weit über den Schwarzwald hinaus von sich und der Ferienregion Schwarzwald reden. Auf den Plakaten die Silhouette einer vollbusigen Frau mit Bollenhut und dazu der Slogan „Grosse Berge, feuchte Täler und jede Menge Wald“, war das grosse Sommerthema in der nationalen und internationalen Presse, auch hier in der Schweiz.
Deutsches Phonomuseum St. Georgen
Auch das Deutsche Phonomuseum erzählt die Geschichte von der Fähigkeit der Schwarzwälder, sich immer wieder an die Bedürfnisse der Zeit anzupassen oder auch der Zeit ein Stück weit voraus zu sein. Die Ausstellung beginnt mit den 1877 von Thomas A. Edison erfundenen Phonographen und führt über teilweise skurrile Exponate bis hin zu den Plattenspielern und Stereoanlagen, wie ich sie aus meiner Jugend kenne. So manches Exponat der Furtwanger Marke Dual weckte in mir schöne Kindheitserinnerungen. Wie Relikte aus einer anderen Welt. Da bewegte sich noch was, da hat man noch gesehen und gefühlt, welche Technik dahinter steckt …
Beruhigend ob des ganzen Fortschrittes, dass sich manche Dinge nicht ändern: Die schwarzen, einladenden Tannenwälder, die nach Harz, Zapfen und Nadeln duften. Die rauschenden Bäche, deren glasklares Wasser an unzähligen blühenden Wiesen, moosigen Waldböden und felsigen Bergwänden vorbeifliesst.
Freilichtmuseum Reinertonishof
Aller Moderne zum Trotz findet man auch heute noch viele beschauliche Orte. Am Reinertonishof in Schönwald, einem Kulturdenkmal mit Freilichtmuseum scheint die Zeit vor langem stehengeblieben zu sein.
Haushaltsgegenstände und Dinge des täglichen Gebrauchs aus den letzten Jahrhunderten erzählen vom Wandel.
Während der Speck, der auch heute noch im Haus geräuchert wird, wie eh und je vom Ofenrauch seinen unverkennbaren Geschmack eingebrannt bekommt. So hat er seit Generationen seinen festen Platz auf dem Schwarzwälder Vesperbrett. Zu meiner grossen Freude!
Hexenlochmühle
Auch seit Jahrhunderten klappern die Mühlen hier an den rauschenden Bächen. Heute hauptsächlich zur Unterhaltung der Tagesausflügler. Eine der schönsten Schwarzwälder Mühlen steht im Hexenloch, dort wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. In Furtwagen-Neukirch, weit ab von der nächsten Siedlung. Hier erfrischen sich Gäste, die den Weg entlang des engen Strässchens, das sich entlang der Hügelflanken durch das saftige Grün der Schwarzwaldwiesen windet, gefunden haben. Oder sie geniessen, wie ich, ein sündhaftes Stück der hausgemachten Schwarzwaldtorte.
Die Hexenmühle steht seit 1825 hier. Manche Dinge ändern sich, dem Fortschritt zum trotz, nie. Hier duftet die Luft noch nach Tannenholz, nach Bach, herrlich frisch.
Triberger Schinkenfest
Traditionen möchten auch in modernen Zeiten gelebt werden. So fand während unseres Aufenthaltes in Triberg das Triberger Schinkenfest statt. Neben dem üblichen leiblichen Genuss mit musikalischer Untermalung fand dieses Fest seinen Höhepunkt in einem Trachtenumzug mit über 400 Trachtenträgern aus der Region. Voller Stolz wurden von Jung und Alt die Trachten präsentiert. Natürlich dufte auch der Bollenhut, vermutlich das Wahrzeichen des Schwarzwaldes, nicht fehlen. Aber eigentlich hat der Bollenhut diesen Status zu Unrecht inne. Der rote Bollenhut galt als Kopfbedeckung für protestantische, unverheiratete Mädchen – die verheirateten, protestantischen Frauen trugen den Bollenhut in Schwarz. Der Schwarzwald ist aber eine überwiegend katholische Gegend. Die Kopfbedeckung der katholischen Frauen, ein hoher Strohhut, war aber vermutlich zu wenig markant, um sich den Status eines Wahrzeichens zu sichern. Und hübsch anzuschauen ist er ja, der bollige Kopfschmuck…
Triberg – Deutschlands höchste Wasserfälle
Nach einem Streifzug durch das Städtchen Triberg, vorbei an den Auslagen mit unzähligen Kuckucksuhren, Bollenhüten mit angenähten Wollzöpfchen und natürlich mit Schwarzwälder Schinken, die die zahlreichen Menschen aus aller Herren Länder verführen sollen, findet der aufmerksame Schwarzwaldbesucher nur wenige Meter wieder genau das, was er hier eigentlich sucht. Hohe Tannen, moosige Waldböden, felsige Hänge und einen glasklaren Bach. Dieser plätschert hier allerdings nicht gemütlich vor sich hin. Vielmehr stürzt sich die Gutach tosend, in mehreren Kaskaden über 160 Meter tief ins Tal. Das hat den Triberger Wasserfällen den Titel „Deutschlands höchste Wasserfälle“ eingebracht. Auf jeden Fall ein imposantes Naturschauspiel!
So wie hier das Wasser seit Generationen den Berg hinunter rauscht, so öffnet sich seit Generationen stündlich das Türchen der Kuckucksuhr und der Kuckuck verkündet deutlich den Beginn einer neuen Stunde. Ganz egal, ob sein Häuschen den traditionellen Schwarzwaldhäusern gleicht oder schick und modern daherkommt. Manche Dinge ändern sich glücklicherweise nie.
Fazit
Es ist die Mischung aus Tradition und Moderne, die für mich den Charme des Schwarzwaldes ausmacht. Darum trifft man mich mit und ohne Familie, seit ich denken kann, immer wieder im Schwarzwald an. Es ist der einzigartige Duft der Tannenwälder, das Plätschern der Bäche und eben der Ruf des Kuckucks, der mich längst in seinen Bann gezogen hat…
Geht hinaus und entdeckt die Welt. Mit etwas Glück hört auch Ihr den echten Kuckuck rufen – und falls Ihr dabei sogar im Schwarzwald seid, werdet Ihr ganz genau verstehen, was ich meine.
Mit sonnigen Grüssen
Extratipps
- Erste weltgrösste Kuckucksuhr, Untertalstrasse 28, Schonach,
- Uhrenmanufaktur Rombach und Haas, Sommerbergstrasse 2, Schonach
- Deutsches Uhrenmuseum, Robert-Gerwig-Platz 1, Furtwangen
- Deutsches Phonomuseum, Bärenplatz 1, St. Georgen
- Triberger Wasserfälle. Am Abend sind die Wasserfälle beleuchtet. Besonders im Winter bei Schnee und Eis muss ein abendlicher Besuch ein noch spezielleres Erlebnis sein.
- Reinertonishof, Schönwald
- Hexenlochmühle, Hexenlochstrasse, Hexenloch 13, Furtwangen-Neukirch
- Informationen zur Deutschen Uhrenstrasse
- Informationen zu Unterkünften und einer Vielzahl von möglichen Aktivitäten in dieser Schwarzwaldregion findet Ihr hier: Ferienland Schwarzwald
- Informationen zu allen Regionen des Schwarzwaldes gibt es hier: Urlaub im Schwarzwald
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Herzlichen Dank an die Deutsche Zentrale für Tourismus und die Schwarzwald Toursimus GmbH für die freundliche Unterstützung zu dieser Recherchereise
6 Antworten
Warum nichts über Schönwald Geburtsort der Kuckucksuhr ???
Wo wir auch wohnen
Lieber Patrick
Vielen Dank für die Ergänzung! Tatsächlich wurde die erste Kuckucksuhr vermutlich in Schönwald gebaut.
Vor Ort habe ich den Reinertonishof besichtigt, über den ich auch im Artikel geschrieben habe.
Liebe Grüsse,
Ellen
Liebes patotra-Team!
Wenn mich jemand fragt, was das Besondere an Freiburg ist, sage ich immer, dass Freiburg an für sich natürlich schon unglaublich ist. Das einmalige hier ist aber die Umgebung. Ob es die Weinregionen sind oder der bezaubernde Schwarzwald. Die Schönheit dieser Gegend ist schwer zu begreifen, wenn man sie nicht selbst erlebt hat!
Vielen Dank für eure interessanten Artikel!
Lieben Gruß,
Marco
Lieber Marco,
Da hast Du völlig recht. Diese Region muss man gesehen und erlebt haben, um ihre Schönheit zu begreifen!
Liebe Grüsse,
Ellen
Liebes patotra-Team!
Vielen Lieben Dank für diesen tollen Eindruck und den wunderschönen Aussagekräftigen Fotos dieser Region.
Für uns steht fest, im kommenden Frühling eine Woche dort Urlaub zu machen und alles auf uns wirken zu lassen. Wir sind riesige Kuckucksuhren Fans und da ist dieser Urlaub für mich und meinen Mann sicherlich genau das Richtige.
Liebe Grüße
Auf den Spuren der Kuckucksuhr den Schwarzwald zu erkunden ist eine tolle Idee. Ich bin auch immer wieder im Schwarzwald unterwegs und kann mich ebenfalls sehr für diese kleinen Wunderwerke der Technik begeistern. Angetrieben nur durch das Gewicht der Zapfen zeigen die Kuckucksuhren die Zeit an. Einfach toll 🙂