Südtirol liegt für uns Schweizer zugegebenermassen nicht gerade ums Eck. Doch die weite Anreise lohnt sich. Die Mischung aus österreichischem Charme und Italianità ist einzigartig. Auf der einen Seite Knödel, Bier und Trachten, auf der anderen Seite eine Entspanntheit, die es so nur in Italien gibt.
Kurz nach der italienischen Grenze machen wir Halt. Am Reschensee. Ich kann einfach nicht anders: Sobald ein See auf der Landkarte erscheint, muss ich reflexartig anhalten.
Direkt am See lädt «Mein Dörfl» zu Speis’ und Trank ein. Leider ist es etwas zu kühl, um draussen an der Sonne zu sitzen, aber man kann die Aussicht auch von einer Art Wintergarten aus geniessen. Wie ausgehungert saugen wir die Sonnenstrahlen auf – bis jetzt hat es nämlich auf der gesamten Fahrt geregnet.
Von hier aus ist es nur noch eine gute Stunde bis nach Lana im Meraner Land. Wir durchqueren den Vinschgau, und als wir bei einer Bäckerei vorbeifahren, kaufe ich mir zwei Vinschgauer oder genauer gesagt ein Vinschger Paarl: Sauerteig-Fladenbrötchen mit Koriander, Fenchel und Kümmel. Kindheitserinnerungen werden wach.
Zwischen Modernität und Heimeligkeit
Und dann sind wir endlich da: Der Greiterhof ist ein Biobauernhof inmitten von Weinreben und Obstbäumen, der seit 2015 Ferienwohnungen vermietet. Die drei neuesten wurden 2018 gebaut und wirken schon von aussen warm und einladend. Der Greiterhof ist Mitglied bei der südtiroler Vereinigung Roter Hahn, die sich auf erlebnisreiche und authentische Ferienaufenthalt in bäuerlicher Umgebung spezialisiert hat.
Warm und einladend ist auch die Begrüssung durch das Besitzerpaar Johanna und Clemens Margesin. Seit 1806 befindet sich der Greiterhof im Besitz ihrer Familie.
Johanna zeigt uns kurz den Hofladen, erklärt das ein oder andere und führt uns dann in unser Reich: eine grosszügige Wohnung mit zwei separaten Schlafzimmern und einem grossen Wohnraum. Die Kombination aus Modernität und Heimeligkeit ist ganz nach unserem Gusto: einfach und doch luxuriös. Ferien auf dem Bauernhof müssen ja nicht immer Schlafen im Stroh sein (wenngleich das natürlich auch seinen Reiz hat). Der Ausblick vom Balkon ist prächtig – trotz des Regens, der erneut eingesetzt hat.
Obwohl das Meraner Land als die Sonnenstube des Südtirols gilt, hat die Besitzerfamilie beim Umbau auch an Tage wie heute gedacht und eine Sauna für die Feriengäste eingebaut. Und, welch ein Glück, sie liegt direkt gegenüber unserer Wohnung! Unten im Hofladen kann man sich in eine Liste eintragen, dann gehört einem das Paradies für zwei Stunden allein. Noch bevor wir zu Abend essen, wärmen wir uns in der kleinen Wellnessoase auf.
Mediterranes Meran
Am nächsten Morgen trauen wir unseren Augen kaum, als Johanna an unsere Tür klopft: Sie bringt uns einen Frühstückskorb, der sogar den Kindern den Atem verschlägt: Eier, Käse, Aufschnitt, Kuchen, Joghurt – unser schachbegeisterter Jüngster reibt sich am Ende des Zmorge genüsslich den Bauch: «Ich bin sattmatt.»
Meran ist die zweitgrösste Stadt Südtirols und liegt etwa zehn Fahrminuten von Lana entfernt. Die hübsche Innenstadt zeichnet sich durch Arkaden aus, die einen bei jedem Wetter zum Bummeln einladen. Hier gibt es Knödelrestaurants und Trachtenläden, aber auch Bäckereien, in denen nur Italienisch gesprochen wird. Wie heisst bloss ein Spitzbube auf Italienisch?
Doch das Schönste ist, dass man direkt hinter der Kirche St. Nikolaus auf den Tappeinerweg gelangt, der als eine der schönsten Promenaden Europas gilt und vor über hundert Jahren vom Vinschgauer Kurarzt Franz Tappeiner angelegt wurde. Von hier aus hat man eine atemberaubende Aussicht auf Meran. Wen es nach noch mehr Weitsicht gelüstet, der kann auf den Pulverturm steigen, der am Ende des Wegs liegt. Ein mittelalterlicher Befestigungsturm, der im 18. Jahrhundert als Depot für Schiesspulver verwendet wurde.
Der Tappeinerweg mündet in die Gilfpromenade, die zum Steinernen Steg führt – die älteste Brücke der Stadt, die wiederum über die rauschende Passer führt (das Rauschen ist übrigens, zumindest wenn der Fluss viel Wasser mit sich führt, bis zum Greiterhof zu hören).
Da das Wetter erneut nicht mitspielen will, kehren wir bereits am Nachmittag in unsere Wohnung zurück und machen es uns gemütlich. Bevor wir am Abend essen gehen, gönnen wir uns nochmals eine Stunde in der Sauna, die sich überraschend zum Highlight für unseren Älteren entpuppt. Wann hat man schon mal einen Wellnessbereich ganz für sich allein?
Sättigende Südtiroler Spezialitäten
Das Abendessen werden wir so schnell nicht vergessen. Allein die Anreise ist abenteuerlich, wir verfahren uns einige Male, bis wir den Schnalshuberhof in Algund finden – ein absoluter Geheimtipp. Unser Tisch befindet sich in der sogenannten Zeitungsstube, an deren Täfelung Zeitungen aus vergangenen Zeiten zum Vorschein kommen.
Wer aus einer Menükarte auswählen will, ist hier fehl am Platze. Der Senior-Chef kommt zu uns und schlägt uns verschiedene regionale Gerichte vor. Seine Tipps sind uns willkommen! Hans Pinggera ist ein wahres Unikat. Es verwundert uns kaum, dass er eigentlich und von Herzen Kunstmaler und Musiker ist. Einige seiner Bilder zieren auch die Buschenschank, wie die denkmalgeschützten Stuben heissen.
Der erste Gang: Tiroler Tris – was so viel bedeutet wie Tiroler Dreierlei und aus einem Spinatknödel, einem Käseknödel und Schlutzkrapfen besteht. Ursprünglich ein Arme-Leute-Essen, ist es heute ein Klassiker der Südtiroler Küche. Und es enttäuscht uns ebenso wenig wie die darauffolgenden Rippli und das Ossobuco.
Alle Produkte stammen vom eigenen Biobauernhof, sogar der Wein ist biologisch (und wie versprochen habe ich am nächsten Tag keine Kopfschmerzen, obwohl ich äusserst anfällig dafür bin). Ein einfaches Festmahl in einer ganz besonderen, urchigen Atmosphäre.
Schlösser und Schlossgärten in Südtirol
Leider werden wir auch am nächsten Morgen nicht wie erhofft von der Sonne geküsst. Wir ändern spontan unsere Pläne – eigentlich wollten wir heute einen Waalweg erkunden. Das Südtirol beherbergt unzählige solcher alten Wasserwege, die bereits vor Jahrhunderten die Obstanlagen der Bauern mit Wasser versorgten und dies zum Teil bis heute tun. (Wir werden dann auf unserer Rückreise doch noch einen zu sehen bekommen – sogar bei Sonne!)
Stattdessen fahren wir zum Schloss Lebenberg oberhalb von Tscherms, nur etwa zehn Minuten vom Greiterhof entfernt. Das Schloss aus dem 13. Jahrhundert, eine der grössten, vollständig eingerichteten Burganlagen Südtirols, wird heute immer noch von der Besitzerfamilie bewohnt und macht so seinem Namen alle Ehre: Es lebt. Und steckt mit seinen malerischen Innenhöfen, seinem Rokoko-Spiegelsaal und seiner Kapelle mit gotischen Fresken zugleich voller Geschichte. Die Kinder interessieren sich natürlich vor allem für die Waffenkammer.
Weiter geht’s zu den Gärten von Schloss Trauttmansdorff östlich von Meran, die seit 2001 der Öffentlichkeit zugänglich sind. Wie ein Amphitheater schmiegen sich hier zahlreiche Terrassen um einen See herum – über einen Höhenunterschied von rund 100 Metern und einer Fläche von zwölf Hektaren. Einfach wunderschön (und nein, ich schreibe jetzt nichts mehr über das Regenwetter). Übrigens hat hier einst, wenn auch nur kurz, die österreichische Kaiserin Sissi residiert.
Apfelkuchen und Weindegustation auf dem Greiterhof
Als wir nach Hause kommen, wartet auf dem Greiterhof eine süsse Überraschung auf uns: Johanna hat Apfelstrudel gebacken. Natürlich aus eigenen Äpfeln – Lana ist die grösste Apfelgemeinde Südtirols. Nach dieser überaus willkommenen Kaffee- und Kuchenpause geht es gleich weiter mit der nächsten Verköstigung: Einmal pro Woche gibt’s nämlich für alle Gäste eine Weindegustation.
Mit viel Enthusiasmus erklärt uns das Besitzerpaar, wie viel Liebe, aber auch Arbeit in einem Biobetrieb steckt. Und wie schwierig es ist, ausschliesslich biologische Produkte anbieten zu können. So ist der Wein noch nicht biozertifiziert, weil der Ertrag mancher Traubensorten ohne Schädlingsbekämpfung zu gering wäre. Trotzdem degustieren wir einen unbehandelten Wein, einen so genannten Piwi, hergestellt aus pilzwiderstandsfähigen Trauben, die meist nicht einmal einer biologischen Behandlung bedürfen. Und das Ergebnis kann sich wahrlich sehen bzw. schmecken lassen!
Viel zu kurz war unser Aufenthalt. Und viel zu grau und nass. Aber das vermag unseren Blick auf die Farbigkeit der Region nicht zu trüben. Und wir fragen uns: Wenn die Sonnenstube des Südtirols uns schon bei Regen so verzaubert, wie mag es dann wohl erst bei Sonnenschein sein?
Der Greiterhof ist das ganze Jahr über für Feriengäste geöffnet.
Weiter Infos zum Greiterhof: Homepage
Miriam kümmert sich seit Juli 2018 bei PATOTRA hauptsächlich um das Themengebiet Reisen mit Kindern.
«Als langjährige Journalistin ist es für mich selbstverständlich, mit Neugier und offenen Augen durchs Leben zu gehen. Doch nicht immer sieht man aus der eigenen Perspektive alles – und so bin ich glücklich und dankbar, dass mein Mann und meine Kinder (14 und 8 Jahre) meine Weltsicht erweitern.
Ich liebe es, neue Welten zu entdecken – seien sie nah oder fern. Low-Budget-Reisen durch Südostasien gehören für mich ebenso dazu wie ein Verwöhnwochenende in den Alpen. Wichtig sind mir vor allem zwei Dinge: Die Reiseorte müssen authentisch sein. Und: Sie müssen nicht nur mich und meinen Mann, sondern auch unsere Kinder begeistern.»
Offenlegung: Die Recherche fand auf Einladung statt.