Was ist Heimat? Persönliche Gedanken zum Schweizer Nationalfeiertag

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Heute feiern wir in der Schweiz den ersten August, unseren Nationalfeiertag. Wir feiern, dass sich die drei Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden zusammengeschlossen haben. Dass die Gründung der Schweiz, samt Rütlischwur historisch vermutlich an einem 8. November im Jahr 1307 stattfand, lassen wir mal ausser Acht.

Im Dezember 1889 hält die damalige Bundesversammlung fest, dass die Schweiz ihren Ursprung mit dem Bündnis der Urkantone am 1. August 1291 hat.

Wie dem auch sei. Am ersten August wird gefeiert. Die Vorgärten werden liebevoll mit Lampions und Fähnchen geschmückt. Das Schweizerkreuz ist in diesen Tagen allgegenwärtig. Man trifft sich am Morgen zum Brunch beim Bauern nebenan, oder gegen Mittag auf einem der zahlreichen Feste oder man feiert bei sommerlichem Wetter mit Freuden beim Grillen im Garten. Gut, dass der erste August gewählt wurde. Im November wäre das weniger schön. Am Abend gipfeln die Feierlichkeiten vielerorts in einem Feuerwerk – sofern es davor nicht allzu trocken war und ein kantonales Feuer(werks)verbot ausgesprochen wurde.

Wir feiern unsere Heimat, das heisst unsere Nachbarschaft feiert ihre Heimat. Ich stehe irgendwie immer ein wenig daneben.

Ich bin zu Hause hier. Habe meine Kindheit im Aargau verbracht, bin dann irgendwann in den Thurgau, an den Bodensee gezogen und nach einem kurzen Zwischenspiel im Aargau wieder hier gelandet.

Ich lebe gerne hier. Ich könnte mir nicht (mehr) vorstellen, in einem anderen Land zu leben. Wir haben alles, was wir brauchen hier. Wir leben in einem kleinen Paradies. Wir haben die Berge, wir haben Seen, wir haben Wasser, das man aus dem Wasserhahn trinken kann und wir haben ein (noch) funktionierendes Gesundheitssystem. Alles Dinge, für die ich sehr dankbar bin. Ich liebe dieses Land und fühle mich mit ihm verwurzelt. Aber die Sache hat einen Makel. Auch wenn ich die Sprache genauso spreche, wie meine Muttersprache, auch wenn ich mich hier zu Hause fühle, ist dies nicht meine Heimat. Bewusst wird mir das vor allem dann, wenn ich ein offizielles Formular ausfüllen, oder meinen Pass vorzeigen muss. Der hat kein Schweizerkreuz vorne drauf.

Ich müsste mich einbürgern lassen, Geld dafür bezahlen, der Einbürgerungskommission gegenüber treten, die mich prüft, ob ich denn genug über die Schweiz weiss, ob ich es wert bin, Schweizerin zu werden.

Immer wieder habe ich innerlich einen Anlauf genommen. Aber ich scheue mich davor. Was, wenn man mich ablehnen würde? Ich habe, zumindest gefühlsmässig, keine andere Heimat. Warum muss ich fremden Menschen mit einer merkwürdigen Prüfung beweisen, dass dies meine Heimat ist? Allein der Gedanke daran fühlt sich an, als würde man mir einen Teil meines Herzens rausreissen. Darum scheue ich mich. Die Formulare zur Anmeldung habe ich schon mehrfach geholt. Sie sind dann immer wieder in einer Schublade verschwunden.

Vielleicht schaffe ich es tatsächlich irgendwann, mir einen Ruck zu geben und gehe es wirklich an. Ich möchte mitbestimmen dürfen und ich möchte das Wort Heimat laut aussprechen dürfen. Bis dahin bin ich halt die mit dem „Schweizer Herz und dem Deutschen Pass“. Bis dahin feiere ich halt etwas stiller und verborgener – ohne Fähnchen im Garten und Lampions. Aber vermutlich würde ich auf die auch mit dem Schweizer Pass verzichten.

Happy Birthday, liebe Schweiz!

Wer schreibt hier?
Ellen Gromann-Goldberg
Globetrotterin mit Anhang, immer mit der Kamera im Anschlag und dem Notizblock in der Hand. Mit und ohne Familie bin ich auf der Suche nach den besonderen Orten, Erlebnissen und Geschichten rund um die Welt und in meiner Heimat am schönen Bodensee.

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