Von draus von Portugal komm ich her und ich muss Euch sagen auch dort weihnachtet es sehr…
Ich habe mich auf die Reise ins Centro de Portugal gemacht und zwei spannende, aber völlig unterschiedliche Seiten des weihnachtlichen Portugals entdeckt.
Óbidos – bodenständig und innovativ
Meine Reise beginnt etwa 85 km nördlich von Lissabon in Óbidos, einem kleinen mittelalterlichen Städtchen mit einer vollständig erhaltenen Stadtmauer.
Ich erreiche Óbidos im Dunkeln. Schon von Weitem sehe ich die festlich beleuchteten Umrisse der Stadtmauer.
2 km ist sie lang und es scheint als hätte sie dafür gesorgt, dass in ihrem Schutz die Zeit stehen geblieben ist. Weiss getünchte Häuser mit blauen und gelben Kanten säumen die gepflasterten Gassen. Bougainvillea setzen selbst im Winter pinkfarbene Akzente.
Dazwischen glitzern künstliche Schneekristalle, denn das Thermometer schafft es Anfang Dezember immerhin noch auf 18 Grad.
Nur noch etwa 100 Menschen der insgesamt 11’000 Einwohner von Óbidos leben innerhalb der Stadtmauern.
Trotz des Eindrucks, dass die Zeit stehen geblieben ist, oder gerade deshalb ist man ziemlich innovativ in Óbidos. Dank einer Vielzahl Events und kulturellen Anlässen, hat man sich weit über die Stadtmauern und den historischen Ortskern hinaus einen Namen gemacht.
Ideenreichtum und Eigeninitiative haben dazu geführt, dass Óbidos heute jährlich 2 bis 2,5 Millionen Besucher anzieht. Diese besuchen das Schokoladenfest im Frühling, den Mittelaltermarkt im Sommer, das Literaturfestival im Oktober oder eben das Weihnachtsdorf im Advent.
Óbidos – der siebte Himmel für Bücherwürmer
Ich checke im Hotel direkt ausserhalb der Stadtmauern ein. „The Literary Man“ heisst das Haus und es macht seinem Namen alle Ehre. Bücher wohin das Auge schaut. Sogar der Weihnachtsbaum ist aus Büchern gebaut.
Als bekennender Bücherwurm befinde ich mich hier im siebten Himmel. In Óbidos gibt es nicht nur ein Hotel für Leseratten, sondern darüber hinaus auch 11 Büchereien an zum Teil sehr aussergewöhnlichen Orten. Im lokalen Bioladen zum Beispiel. Hier gibt es Bio und Bücher und in der Kirche von Santiago aus dem 12. Jahrhundert Bibeln und Bücher. Ein irdisches und gleichwohl himmlisches Vergnügen!
Fröhliches Vila Natal, das Weihnachtsdorf in Óbidos
Diese Kombination aus Bodenständigkeit und Visionen setzt sich auch auf dem Weihnachtsdorf fort. „Den Kopf rauf zum Mond und die Füsse auf dem Boden“ lautet das diesjährige Motto des Weihnachtsdorfes an der Stadtmauer. 2019 feiert man die erste Mondlandung vor 50 Jahren und greift aktuelle, irdische Themen auf. Die Umweltverschmutzung zum Beispiel. Ganz ohne moralischen Fingerzeig geleitet mich die Recycling-Elf in ein Labyrinth aus einer Sammlung von erschreckendem Strandgut.
Hier braucht es keine weiteren Erklärungen. Die Botschaft kommt an.
Allerlei Elfen wandeln durch das Weihnachtsdorf und scherzen mit den Kindern. Und sogar ein Schneemann hüpft bei frühlingshaften Temperaturen leichtfüssig zwischen den Besuchern herum.
In hübschen Marktständen werden kulinarische Genüsse angeboten. Da darf auch das berühmte Pasteis de Nata natürlich nicht fehlen.
Weniger Meter weiter werden handgemachte Geschenke angeboten. Schmuck, Einhörner und kleine Figuren aus Porzellan angeboten. Überall sind fröhliche und staunende Gesichter. Einzig die Schlittschuhbahn bereitet noch Probleme. Kein Wunder, bei 18 Grad!
So sucht man hier auch vergebens nach Glühwein. Für die Kinder gibt es heisse Schokolade und für die Grossen Ginja, einen leckern lokalen Sauerkirschlikör, der gerne aus Schokoladenbecherchen getrunken wird.
Ein Weltraumelf vom Planeten B612, der Heimat des kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupéry, kommt vorbei und posiert mit dem Weihnachtsmann…
…während Gänse und Ziegen schnatternd und meckernd eine Runde über den bunten Markt drehen.
Der Weihnachtsmarkt in Ódidos ist reizend, voller Leichtigkeit, Freude und glänzender Kinderaugen. Er ist eine Entführung in eine Zeit voller Lichterglanz und kleiner Wunder.
Das Essen im dazugehörigen Restaurant schmeckt übrigens hervorragend.
Von Óbidos aus geht es für mich weiter nach Cabeça. Auch hier nimmt man Weihnachten als Anlass um den Tourismus zu beleben, wenn auch auf eine ganz andere Art.
Aldeia Natal Cabeça – ein nachhaltiges Weihnachtsdorf in der Serra da Estrela
Knapp 3 Autostunden oder 230km nordöstlich von Óbidos weht ein ganz anderer Wind. Hier liegt das beeindruckende Gebirge „Serra da Estrela“. Auf den Berggipfeln liegt Schnee. Hier befindet sich der höchte Punkt des portugisischen Festlands auf fast 2’000 m.ü.M. Trotz des Dauerregens kann ich erahnen, wie gewaltig dieses Gebirge ist. Es flöckelt ein wenig zwischen dem Regen. Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen, dass ich den ersten Schnee der Saison in Portugal erlebe!
Gewaltige Feldbrocken liegen auf den Hängen, als hätten Riesen hier Fussball gespielt und ihre Bälle einfach liegen gelassen. Das Wasser fliesst in rauschenden Bächen und über tosende Wasserfälle hastig talwärts. Bei guten Wetter muss das Wandern hier ein Traum sein!
Irgendwo im Nirgendwo erreiche ich das kleine Dörfchen Cabeça.
Die Gegend ist arm und stark von Abwanderung betroffen. Die Menschen, hauptsächlich Bauern, schaffen es meist nur schwer sich und ihre Familien über die Runden zu bringen. Auf Terrassen bauen sie Oliven und Orangen an und Kohl, der mit Stockfisch, Olivenöl, Maismehl und Kartoffeln zum typischen Weihnachtsessen verarbeitet wird.
Aus der Not heraus ist in Cabeça eine Initiative entstanden, die zur sanften Förderung der Region beitragen soll. Im Nachbardorf Loriga zum Beispiel hat man beim Fluss Praia Fluvia de Loriga kleine Becken geschaffen, in denen Besucher im Sommer baden können.
Daneben gibt es Wiesen mit Sitzplätzen für ein gemütliches Picknick. Das lockt Gäste an, die sich an der Natur erfreuen und vielleicht den einen oder anderen Euro in der Gegend ausgeben.
In Cabeça haben sich die Einwohner gemeinsam dazu entschieden ein Weihnachtsdorf zu gestalten. Ein ganz besonders Weihnachtsdorf. Der Weihnachtschmuck wird ausschliesslich aus natürlichen Materialien, die aus dem Wald geholt werden, hergestellt. Dieses Jahr jährt sich das Weihnachtsdorf von Cabeça zum siebten Mal. Im letzten Jahr sind rund 15’000 Menschen gekommen, um das Dorf zu sehen.
Hier gibt es keinen Weihnachtsmann. Dafür öffnen die Einwohner ihre Scheunen und Garagen und bieten Selbstgebackenes und Selbstgebasteltes an. Der Zustupf hilft ihnen, über die Runden zu kommen.
Massentourismus möchte man hier nicht, wohl aber eine Interaktion zwischen den Besuchern und den Einwohnern. Leider ist das Weihnachtsdorf während meines Besuches noch nicht eröffnet, aber einen Vorgeschmack auf die Interaktion zwischen Gästen und Einwohnern komme ich, als ich in der Weihnachtsschmuckwerkstatt in der Gemeindehalle vorbeischaue. Fleissig werden hier Kränze gebunden, Kugeln aus getrocknetem Farn hergestellt und Häuschen geschnitzt. Am nächsten Wochenende, am zweiten Advent, soll es los gehen und dann bleibt das Dorf bis zum 6. Januar geschmückt.
Die Schwägerinnen Adeline und Arletta backen im Holzofen für die Gäste ihr Maisbrot, das gefüllt mit Fleisch oder Stockfisch ganz köstlich duftet und schmeckt. Sie haben den Ofen extra eigenheizt, um mir eine Kostprobe zu geben und sie freuen sich sichtlich, dass es mir schmeckt.
Die Damen im Gemeindesaal sind so glücklich über das Interesse an ihrem Weihnachtsdorf, dass ich zum Abschied von jeder herzlich gedrückt und auf die Wange geküsst werde. Einmal durch das Dorf geknutscht!
Aber ganz im Ernst: Die Menschen von Cabeça sind herzlich und rührend. Wenn ich einen Weihnachtswunsch habe, dann wünsche ich mir, dass ihr Konzept aufgeht und Cabeça, der kleine Schatz in den portugisischen Bergen, noch lange erhalten bleibt.
Auch wenn Portugal kein riesiges Land ist, habe ich zwei Weihnachtsdörfer und Landschaften kennen gelernt, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Eines haben sie aber gemeinsam: Beide verzaubern durch die Wärme und die Freundlichkeit der Menschen. Weihnachtsdörfer, die das Herz berühren.
In diesem Sinne wünsche ich Euch einen wunderschönen Advent. Geniesst die Zeit mit Euren Lieben und besinnt Euch auf die wesentlichen Dinge. Das grösste Geschenk ist die Wärme, die Liebe, die Freundschaft, die Menschlichkeit, die uns entgegengebracht wird und die wir anderen entgegenbringen. Nur sie bringt die Augen zum glänzen.
Mit sonnigen Grüssen
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Hallo! Ich bin Ellen. Ich bin die Gründerin von PATOTRA, Content-Creator und freie Journalistin. Ich liebe das Meer und kleine Inseln. Aber auch die Berge, die Wüste, der Dschungel und Grossstädte können mich begeistern. Begegnungen mit Menschen sind für mich der Schlüssel zu anderen Ländern und deren Kultur. Nachhaltige Projekte liegen mir dabei ganz besonders am Herzen. Meine grossen Leidenschaften sind: das Reisen, das Schreiben und das Fotografieren.
Im Jahr 2014 entstand PATOTRA als reiner Familienreiseblog. Gemeinsam mit meinen drei Kindern und meinem Mann durfte ich viele tolle Nah- und Fernreisen erleben, die sich hier auf dem Blog in Form von Reiseinspirationen und Reisetipps wiederfinden. Aus den Reisen mit Kindern wurden im Laufe der Jahre Reisen mit Teenagern. Schliesslich ist der Blog, gemeinsam mit meinen Kindern, den Kinderschuhen entwachsen. Mittlerweile reise ich meist gemeinsam mit meinem Mann – oder auch mal alleine.
Mit viel Herz und ansprechenden Reisefotografien möchte ich Euch ermutigen, diese Welt selbst und mit offenen Augen zu entdecken. Mein Fokus liegt auf spannenden Geschichten, traumhaften Landschaften und Begegnungen mit Menschen. Manchmal bringe ich Euch den Geschmack der grossen, weiten Welt auch in Form von Rezepten von meinen Reisen mit.
Offenlegung: Diese Recherchereise fand auf Einladung des Centro de Portugal statt. Meine Meinung bleibt davon unangetastet.