Unser Abenteuer beginnt beim Furkapass. Von Zürich nach Saas-Fee ist dies zwar nicht der schnellste, aber zweifellos der schönste Weg. Und dass hier oben einst der James-Bond-Streifen «Goldfinger» gedreht wurde, macht die Sache für unseren 9-jährigen Sohn umso spannender.
Rätselhaftes «Saas-Fee»
«Warum eigentlich Fee»?, fragt Tim auf dem Weg. Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, warum Saas-Fee seinen Namen trägt. Aber sicherlich nicht, weil es so zauber- oder feenhaft schön ist. Ich recherchiere also kurz. Die Etymologie ist jedoch alles andere als eindeutig. «Saas» kann sowohl Weide als auch Fels bzw. Stein oder Niederlassung bedeuten. Und «Fee» lässt sich von «Vee» (Vieh) oder «Fetag» (Mutterschaf), aber auch von «Ves» (Berg) oder «Foe» (Gletscher) ableiten. Und ja, sogar der Bezug zur keltischen Halbgöttin Fei ist möglich – also doch so etwas wie eine Fee.
Wie auch das nahe Zermatt ist Saas-Fee autofrei und besticht durch die Walliser Spycher, die auf Stelzen stehenden Walserhäuser, die früher der Aufbewahrung von Korn dienten. Wir werden vom Parkhaus mit einem winzigen Elektro-Taxi abgeholt, das Tim zurecht an ein thailändisches Tuk-Tuk erinnert. Unser Zuhause für heute Nacht ist das einladende und unheimlich gastfreundliche Hotel Mistral, wobei wir in einer grosszügigen Wohnung untergebracht sind, die ein paar Schritte vom Hotel entfernt liegt.
Wir machen aber nur kurz Halt, denn wir haben viel vor und wollen unbedingt noch auf den Berg. Mit der SaastalCard nutzt man die Bergbahnen gratis.
Saas-Fee: Gletscher, Wiesen und Murmeli
Saas-Fee, 1800 Meter über dem Meer, liegt am Fusse der Dom, des höchsten Bergs der Schweiz. Am besten lässt sich das Panorama von der Bergstation Längfluh aus bewundern. Hier oben, auf 2870 Höhenmetern, sind die Gletscher zum Greifen nah.
Noch liegt auch auf den Wegen Schnee, so dass eine Wanderung ins Tal erst ab der Mittelstation Spielboden möglich ist. Hier beginnt auch der Murmeliweg – ein wunderschöner, kinderleichter Wanderweg über Stock, Stein und Wiesen. Leider begegnen uns an diesem Nachmittag keine Murmeltiere, aber wir hören ihr Pfeifen (und sehen auch ihre Spuren). Nicht weiter schlimm – der Weg sorgt auch ohne die schnuckeligen Bergbewohner für gute Laune.
Nach einer Einkehr in die charmante Berghütte Gletschergrotte geht’s zurück ins Dorf.
Furchteinflössende Feeschlucht
Der nächste Morgen wird mir mein Leben lang in Erinnerung bleiben. Er beginnt mit einem harmlosen Frühstück im Hotel. Danach geht’s in den Abenteuerwald, einen fantastischen Seilpark im Dorfkern von Saas-Fee. Da ich Höhenangst habe, lasse ich Mann und Kind den Vortritt. Sie haben nicht nur sichtbar, sondern auch hörbar Spass. Ich freue mich mit ihnen – bis zu dem Moment, in dem mein «Baby» über die Feeschlucht saust – und es aufgrund des Gegenwindes nicht bis auf die andere Seite schafft. Ich sterbe tausend Tode, während sich Tim mit den Händen, wie eingangs gelernt, seelenruhig ans andere Ende des Seiles hangelt und dann noch einmal die gähnende Schlucht überquert. Mir fliessen die Tränen nur so aus den Augen, als ich ihn endlich wieder in die Arme schliesse. «Ach, Mami», sagt er. «Mach dir doch nicht immer so viele Sorgen. Es hat so viel Spass gemacht!»
Die Sommerrodelbahn Feeblitz kann mir nach diesem Erlebnis nichts mehr anhaben.
Familienberg Kreuzboden: See, Spielplatz und Streichelzoo
Wir verlassen Saas-Fee in Richtung Saas-Grund. Mit der Gondel fahren wir auf 2400 Meter zur Mittelstation Kreuzboden – auf den sogenannten Familienberg.
Was für ein unglaubliches Panorama! Die Mischabelkette mit Dom und Täschhorn liegt gleichsam vor unserer Nasenspitze. Tim interessiert sich allerdings mehr für die Zwergziegen, die in einem kleinen Streichelzoo geduldig auf kleine Besucher warten (sogar den tollen Spielplatz mit Wasserpark lässt er zu unserem Erstaunen links liegen).
Ich werde derweil langsam ungeduldig, denn wir haben noch (für unsere städtischen Verhältnisse) Grosses vor: Unser nächster Halt ist die SAC Weissmieshütte. 335 Höhenmeter sind zu bewältigen, und auch wenn die Strecke als leicht und familientauglich gilt, habe ich Respekt: Es ist unsere erste Bergtour, und Tim ist alles andere als ein leidenschaftlicher Wanderer.
Weissmieshütte: Schlafen auf 2726 m.ü.M.
Entlang des Triftbaches wandern wir über den «Tierliweg» auf die bereits aus der Ferne sichtbare Hütte zu. Schilder am Wegesrand weisen auf sechs einheimische Tiere hin, doch uns begegnen leider weder Hasen noch Steinböcke. Die Weissmieshütte wirbt damit, einen Blick auf 18 Viertausender zu bieten, und tatsächlich ist die Sicht von der Terrasse aus atemberaubend. Unser Sohn fand den Aufstieg überraschenderweise halb so wild und ist stolz auf sich. Wir sind die Letzten, die die Hütte erreichen, und wir erfahren auch gleich warum: Die Kletterer stehen bereits mitten in der Nacht wieder auf, um rechtzeitig bei Tagesanbruch am Berg zu sein. Wir buchen die spätmöglichste Frühstückszeit: 7.30 Uhr.
Das Glück der Einfachheit
Doch erst einmal gibt es Znacht. Wählen kann man nicht, es gibt, was es gibt, und das sind Suppe, Fleisch mit Reis und Kuchen. Sei es, dass Tim einfach Hunger hat, sei es, dass er die Suppe wirklich gern hat (er meidet sonst Suppe): Er isst wie ein Scheunendrescher. Unser Nachtquartier ist ebenso einfach wie das Abendessen: ein Zimmer mit vier Matratzen. Gemütlicher geht’s nicht. Kuschelige Decken geben uns warm und wir schlafen wie Murmeltiere.
Hängebrücken und Hängematten
Und die sehen wir, endlich, auf unserem Rückweg! Nach dem frühen Zmorge machen wir uns direkt auf den Abstieg und entdecken schon bald die kleinen Nager. Morgens, so hat man uns gesagt, stehen die Chancen besser, weil die Murmeltiere dann auf Futtersuche sind (am Nachmittag haben sie oft von Wanderern schon Nüsse bekommen).
Unten angekommen, wird Tim erneut magisch vom Streichelzoo angezogen, während wir schon mal den nur ein paar Meter entfernten Kreuzbodensee erkunden. Traumhaft. Ein kurzer Rundweg – der sogenannte Wellness- und Yogaweg – führt vom See zur Mittelstation. Ein kurzweiliger Spaziergang mit Hängebrücke, Hängematten und einer Kneippanlage. Wir verzichten auf die vorgeschlagenen Yogaübungen.
Touristenmagnet Blausee
Und dann machen wir uns auf den Heimweg, diesmal durch den Lötschbergtunnel. In einem Anflug von Nostalgie stoppen wir beim Blausee, der auf dem Weg liegt, und staunen nicht schlecht: Das Naturparadies ist zu einem regelrechten Touristenmagneten avanciert. Aus dem einst versteckten Juwel ist ein Besucherpark geworden, der an seiner Schönheit zwar nichts eingebüsst hat, aber leider ziemlich überlaufen ist. Die touristische Infrastruktur – Hotel, Spielplatz, Boot – ist zwar stilvoll, aber angesichts meiner (zugegebenermassen fernen) Erinnerung breitet sich in mir gleichwohl ein Gefühl der Enttäuschung aus.
Wir kommen wieder!
Doch das tut unserem Wochenende keinen Abbruch. Es war ein Bilderbucherlebnis, das auch unseren sonst eher lauffaulen Sohn begeistert hat. «Müssen wir wirklich schon wieder heim?», fragt er traurig. Und ich verstehe ihn nur allzu gut: Unser Aufenthalt war – auch in Anbetracht der langen Anreise – definitiv zu kurz. Das Saastal hat noch so viel mehr zu bieten. Wir werden es entdecken – bei unserem nächsten Besuch. Dann kann man hoffentlich auch den Bike Skills Park auf dem Familienberg Kreuzboden wieder nutzen und mit den Monstertrottis ins Tal hinabdüsen. Die Unwetter der letzten Wochen haben während unseres Aufenthalts beides unmöglich gemacht.
Offenlegung: Dieser Beitrag ist im Rahmen einer Einladung durch das Saastal entstanden.
Miriam kümmert sich seit Juli 2018 bei PATOTRA hauptsächlich um das Themengebiet Reisen mit Kindern.
«Als langjährige Journalistin ist es für mich selbstverständlich, mit Neugier und offenen Augen durchs Leben zu gehen. Doch nicht immer sieht man aus der eigenen Perspektive alles – und so bin ich glücklich und dankbar, dass mein Mann und meine Kinder (14 und 8 Jahre) meine Weltsicht erweitern.
Ich liebe es, neue Welten zu entdecken – seien sie nah oder fern. Low-Budget-Reisen durch Südostasien gehören für mich ebenso dazu wie ein Verwöhnwochenende in den Alpen. Wichtig sind mir vor allem zwei Dinge: Die Reiseorte müssen authentisch sein. Und: Sie müssen nicht nur mich und meinen Mann, sondern auch unsere Kinder begeistern.»